Deutschland-im-Gleichgewicht
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Strategiepapier – Pflegeversicherung

Strategiepapier zur Reform der Pflegeversicherung in Deutschland Langfristige Finanzierbarkeit, Leistungsausbau und Beitragsgerechtigkeit bis 2040

1. Einleitung und Problemstellung

Die gesetzliche Pflegeversicherung (PV) in Deutschland befindet sich in einer strukturellen Krise, die durch drei zentrale Faktoren verschärft wird:

1.1 Finanzielle Schieflage: Chronische Unterdeckung

  • Aktuelle Defizite:
    • 2024: Minus von 1,54 Mrd. € – das höchste jährliche Defizit seit Bestehen der PV.
    • 2025: Trotz Beitragserhöhung um 0,2 Prozentpunkte (auf 3,6%) wird ein Fehlbetrag von 160 Mio. € erwartet.
    • Ab 2026: Ohne Reformen prognostiziert der Bundesrechnungshof ein jährliches Defizit von 3,5 Mrd. €, kumuliert 12,3 Mrd. € bis 2029.
  • Darlehenslast:
    • Der Bund gleicht die Defizite 2024/25 mit 2 Mrd. € Darlehen aus, die ab 2029 zurückgezahlt werden müssen – was die Liquidität der PV weiter belastet.

Ursachen:

  • Umlagesystem stößt an Grenzen: Die PV finanziert sich aus Beiträgen der aktuell Erwerbstätigen. Doch das Verhältnis von Beitragszahlern zu Pflegebedürftigen verschlechtert sich rapide:
    • 1995: 4 Beitragszahler pro Pflegefall
    • 2024: 2,5 Beitragszahler pro Pflegefall
    • 2035: Prognose: nur noch 1,8 Beitragszahler pro Pflegefall

1.2 Demografischer Druck: Die Babyboomer-Welle rollt

  • Bevölkerungsentwicklung:
    • Die Generation der Babyboomer (geb. 1955–1969) geht ab 2025 in Rente – der Anteil der über 80-Jährigen steigt von 6% (2024) auf 12% (2040).
    • Pflegefallquote:
      • Bei den 65- bis 79-Jährigen: 5% pflegebedürftig
      • Bei den über 80-Jährigen: 30% pflegebedürftig
  • Statistische Prognosen:
    • 2024: 5 Mio. Pflegebedürftige
    • 2035: 5,6 Mio. (+600.000)
    • 2055: 6,8 Mio. (Höchststand)

Folge: Selbst bei moderaten Kostensteigerungen steigen die Ausgaben der PV bis 2040 auf über 100 Mrd. €/Jahr (heute: 68 Mrd. €).

1.3 Kostenexplosion: Warum das System teurer wird

  • Personalaufwand:
    • Pflegekräfte erhalten höhere Lohnsteigerungen als der Durchschnitt (2023: +7% in der Altenpflege vs. +4,5% gesamt), doch der Fachkräftemangel (aktuell 150.000 offene Stellen) treibt die Kosten weiter.
  • Inflation und Preise:
    • Medizinische Hilfsmittel, Energie- und Mietkosten in Pflegeheimen steigen überdurchschnittlich.
    • Beispiel: Ein Pflegeheimplatz kostete 2000 im Schnitt 1.800 €/Monat, heute 3.500 €/Monat.
  • Bürokratie und Ineffizienz:
    • MDK-Begutachtungen führen zu hohem Verwaltungsaufwand.
    • Fehlanreize: Stationäre Pflege wird stärker gefördert als häusliche Pflege, obwohl sie doppelt so teuer ist.

1.4 Warum das aktuelle System nicht zukunftsfest ist

  • Beitragssätze können nicht unbegrenzt steigen:
    • Schon heute liegt der PV-Beitrag bei 3,6% (+0,6% für Kinderlose) – eine Erhöhung auf 5% würde Arbeitnehmer und Unternehmen überlasten.
  • Politische Blockaden:
    • Die aktuelle „Pflegekommission“ von Bund und Ländern verzichtet auf Expertise von Pflegeverbänden und Krankenkassen – zentrale Akteure fehlen.
  • Fehlende Kapitaldeckung:
    • Im Gegensatz zur Rente (teilweise kapitalgedeckt) ist die PV ein reines Umlagesystem – es gibt keine Rücklagen für demografische Spitzen.

Zusammenfassung der Kernprobleme

ProblembereichAktuelle SituationLangfristige Entwicklung (bis 2040)
Finanzen1,54 Mrd. € Defizit (2024), Darlehen notwendigKumulierte Schulden von 30+ Mrd. € möglich
Demografie5 Mio. Pflegebedürftige+1,8 Mio. Pflegefälle (+36%)
Kosten68 Mrd. € Ausgaben (2024)>100 Mrd. € bei unverändertem System
Beitragsstabilität3,6% BeitragssatzAuf 5%+ ansteigend nötig, aber politisch kaum durchsetzbar

Konsequenz: Reformbedarf in drei Dimensionen

  1. Mehr Einnahmen: Beitragserhöhungen, aber sozial ausgewogen (z. B. über höhere Bemessungsgrenzen).
  2. Kostenkontrolle: Effizienzsteigerung durch Digitalisierung, Prävention und Bürokratieabbau.
  3. Demografiefestigkeit: Langfristige Umstellung auf eine teilweise Kapitaldeckung (Modell Riester-Rente).

Ohne Reformen droht ein Teufelskreis: Höhere Beiträge → Belastung der Arbeitnehmer → weniger Akzeptanz → politischer Stillstand → Systemkollaps bis 2040.

2. Reformbausteine – Vertiefte Ausführung

2.1 Einnahmeseite: Nachhaltige Finanzierungsquellen

a) Beitragsanpassungen

1. Erhöhung des Beitragssatzes auf 4,2% bis 2030

  • Aktuell: 3,6% (1,8% Arbeitnehmer, 1,8% Arbeitgeber).
  • Reformvorschlag:
    • 2026: Anstieg auf 3,8% (1,9% + 1,9%).
    • 2028: 4,0% (2,0% + 2,0%).
    • 2030: 4,2% (2,1% + 2,1%).
  • Begründung:
    • Ein schrittweiser Anstieg vermeidet abrupte Belastungen.
    • Mehreinnahmen: ~1,2 Mrd. € pro 0,1% Beitragserhöhung → +7,2 Mrd. €/Jahr bis 2030.

2. Zusatzbeitrag für Kinderlose von 0,6% auf 1,0%

  • Aktuell: 0,6% (nur Arbeitnehmer).
  • Reform:
    • Anhebung auf 1,0% ab 2026 (für Versicherte ohne Kinder).
    • Staffelung nach Alter:
      • <35 Jahre: 0,6% (noch potenziell Kinderwunsch).
      • 35+ Jahre: 1,0%.
  • Mehreinnahmen: +1,2 Mrd. €/Jahr.

3. Reform der Beitragsbemessungsgrenze (BBG)

  • Aktuell: BBG bei 66.150 €/Jahr (wie Krankenversicherung).
  • Reformoptionen:
    • Variante 1: Anhebung auf 200.000 € (Vorschlag Deutsche Stiftung Patientenschutz).
      • Betrifft Top 5% der Einkommen (~130.000 € Durchschnitt).
      • Mehrbelastung pro Person: ~2.700 €/Jahr.
      • Mehreinnahmen: ~5,5 Mrd. €/Jahr.
    • Variante 2: Abschaffung der BBG (volle Sozialabgabenpflicht für alle Einkommen).
      • Mehreinnahmen: ~8 Mrd. €/Jahr, aber politisch schwer durchsetzbar.

b) Erweiterung des Beitragskreises

1. Einbeziehung aller Einkunftsarten

  • Problem: Aktuell sind Kapitalerträge, Mieteinnahmen, Unternehmensgewinne nicht beitragspflichtig.
  • Lösung:
    • Sozialabgabenpflicht für Kapitaleinkünfte >20.000 €/Jahr (analog zur Rentenversicherungspflicht für Selbstständige).
    • Mieteinnahmen: Ab 2.000 €/Monat PV-Beitragspflicht (wie bei Krankenversicherung).
  • Mehreinnahmen: ~3 Mrd. €/Jahr.

2. Dauerhafte Bundeszuschüsse statt Darlehen

  • Aktuell: Bund hilft mit 2 Mrd. € Darlehen (2024/25), die ab 2029 zurückgezahlt werden müssen.
  • Reform:
    • Feste Bundesbeteiligung von 5 Mrd. €/Jahr (finanziert aus Steuermitteln).
    • Begründung:
      • Der Bund profitiert von stabiler Pflegeversorgung (weniger Sozialhilfekosten).
      • Entlastung der Beitragszahler.

2.2 Ausgabenseite: Kostenkontrolle und Effizienz

a) Personalkosten und Fachkräftesicherung

1. Tarifbindung für Pflegedienste

  • Problem: Viele private Pflegeanbieter zahlen untertariflich (→ hohe Fluktuation).
  • Lösung:
    • Pflicht zur Tarifbindung für alle Pflegeeinrichtungen ab 2026.
    • Kosten: ~500 Mio. €/Jahr (höhere Löhne), aber langfristig weniger Personalmangel.

2. Ausbildungsinitiative: 50.000 neue Pflegekräfte bis 2030

  • Maßnahmen:
    • Ausbildungsprämie: 5.000 €/Jahr für Pflegeschüler (Kosten: 250 Mio. €/Jahr).
    • Schulgeldfreiheit in allen Bundesländern.
    • Werbekampagnen für Pflegeberufe.

3. Internationale Fachkräftegewinnung

  • Anerkennung ausländischer Abschlüsse innerhalb von 3 Monaten.
  • Ziel: 30.000 zusätzliche Pflegekräfte bis 2030 aus Nicht-EU-Ländern.

b) Digitalisierung und Prävention

1. „Pflege 4.0“: Telemedizin und Technik

  • Maßnahmen:
    • Digitale Pflegeassistenten (z. B. Sturzsensoren, Erinnerungssysteme für Medikamente).
    • Video-Sprechstunden für Pflegeberatung.
  • Einsparung: 1,5 Mrd. €/Jahr ab 2030 (weniger stationäre Aufenthalte).

2. Präventionsprogramme gegen Pflegerisiken

  • Schwerpunkt Demenz:
    • Früherkennungsuntersuchungen ab 60 Jahren.
    • Förderung von Bewegung und Ernährung.
  • Kosten: 500 Mio. €/Jahr, aber Einsparung von 2 Mrd. €/Jahr langfristig.

2.3 Leistungsanpassungen

1. Pflegegradsystem reformieren

  • Aktuell: Komplexe MDK-Begutachtungen führen zu Verzögerungen und Ungerechtigkeiten.
  • Reform:
    • Standardisierte Tests (z. B. für Demenz) statt Einzelfallprüfung.
    • Elektronische Antragsstellung.

2. Höhere Leistungen für Demenzkranke (+20%)

  • Aktuell: Demenzkranke erhalten oft zu niedrige Pflegegrade.
  • Reform:
    • Zuschlag von 20% auf Pflegegeld/Pflegesachleistungen.
    • Kosten: ~1,5 Mrd. €/Jahr, aber gerechtere Versorgung.

3. Steuerfreies Pflegegeld für Angehörige (max. 15.000 €/Jahr)

  • Aktuell: Private Pflege wird kaum steuerlich gefördert.
  • Reform:
    • Steuerfreies Pflegegeld für selbstorganisierte Pflege (z. B. private Pflegekräfte).
    • Ziel: Entlastung der Pflegekassen (häusliche Pflege ist 50% günstiger als Heime).

Zusammenfassung der Reformwirkungen

MaßnahmeKosten/InvestitionEinsparung/Mehreinnahmen
Beitragserhöhung 4,2%+7,2 Mrd. €/Jahr
Zusatzbeitrag Kinderlose 1,0%+1,2 Mrd. €/Jahr
BBG auf 200.000 €+5,5 Mrd. €/Jahr
Bundeszuschuss 5 Mrd. €5 Mrd. € (Steuern)
Tarifbindung Pflegekräfte+500 Mio. €/JahrWeniger Personalmangel
Digitalisierung1 Mrd. € (Invest)-1,5 Mrd. €/Jahr ab 2030
Demenz-Zuschlag+1,5 Mrd. €/Jahr

Gesamteffekt: Ab 2030 ausgeglichener Haushalt, Rückzahlung der Schulden bis 2035 möglich.


3. Finanzplanung und Prognose bis 2040

3.1 Szenario ohne Reform (Status quo)

a) Entwicklung der Defizite

  • 2024–2029:
    • Kumuliertes Defizit von 12,3 Mrd. € (laut Bundesrechnungshof).
    • Ab 2026 drohen jährliche Fehlbeträge von 3,5–4 Mrd. €.
  • 2030–2040:
    • Durch den Eintritt der Babyboomer in das Pflegealter steigen die Defizite auf 5–6 Mrd. €/Jahr.
    • Kumulierte Schuldenlast bis 2040: ~50 Mrd. €.

b) Beitragssatzentwicklung

  • Aktuell: 3,6% (2025).
  • Erforderliche Anpassungen:
    • 2028: 4,0% nötig, um Defizite zu begrenzen.
    • 2035: 4,8%.
    • 2040: 5,0–5,5% (politisch kaum durchsetzbar).

c) Folgen

  • Systemkollaps:
    • Die PV würde ab 2035 auf Darlehen des Bundes angewiesen sein (~10 Mrd. €/Jahr).
    • Rückzahlungsdruck ab 2040: Zinslasten verschärfen die Krise.

3.2 Reformszenario (Umsetzung ab 2026)

a) Schrittweise Umsetzung der Maßnahmen

JahrSchlüsselmaßnahmenEinnahmensteigerungAusgabensenkungSaldo
2026• Beitragserhöhung auf 3,8%
• BBG auf 200.000 €
• Digitalisierung starten
+6,7 Mrd. €-1,5 Mrd. €+5,2 Mrd. €
2028• Zusatzbeitrag Kinderlose 1,0%
• Bundeszuschuss 5 Mrd. €
• Tarifbindung Pflegekräfte
+8,2 Mrd. €-2,0 Mrd. €+6,2 Mrd. €
2030• Beitrag 4,2%
• Vollständige Einbeziehung aller Einkünfte
• Präventionsprogramme wirken
+10,0 Mrd. €-3,0 Mrd. €+7,0 Mrd. €
2040• Demografischer Peak erreicht
• Kapitaldeckungsanteil eingeführt
+12,0 Mrd. €-4,0 Mrd. €+8,0 Mrd. €

b) Finanzielle Effekte im Detail

  1. Einnahmenseite (ab 2030):
    • Beiträge: +7,2 Mrd. € (4,2% Beitragssatz).
    • BBG-Reform: +5,5 Mrd. €.
    • Bundeszuschuss: +5,0 Mrd. €.
    • Kapitaleinkünfte/Mieten: +3,0 Mrd. €.
    • Summe: +20,7 Mrd. € brutto.
  2. Ausgabenseite (Einsparungen ab 2030):
    • Digitalisierung: -1,5 Mrd. €.
    • Prävention: -2,0 Mrd. €.
    • Bürokratieabbau: -0,5 Mrd. €.
    • Summe: -4,0 Mrd. €.
  3. Nettosaldo: +16,7 Mrd. €/Jahr (ab 2030).

c) Schuldenrückzahlung

  • Darlehen 2024/25: 2 Mrd. €.
  • Tilgungsplan:
    • 2030–2035: Jährliche Rückzahlung von 400 Mio. € (keine Zinsbelastung).
    • Ergebnis: Schuldenfrei bis 2035.

3.3 Langfristige Prognose bis 2040

a) Demografische Entwicklung

  • Pflegebedürftige:
    • 2035: 5,6 Mio. (+600.000 vs. 2024).
    • 2040: 6,1 Mio.
  • Kosten pro Kopf:
    • Aktuell: ~13.600 €/Jahr.
    • 2040: ~16.000 €/Jahr (Inflationsbereinigt).

b) Beitragsstabilität

  • Beitragssatz: Stabil bei 4,2% (keine weitere Erhöhung nötig).
  • Grund: Mehreinnahmen durch BBG-Reform und Bundeszuschüsse.

c) Nachhaltigkeitssicherung

  • Kapitaldeckungsanteil (ab 2035):
    • Modell: Einführung eines Pflegefonds (ähnlich Riester-Rente), in den 0,5% der Beiträge fließen.
    • Ziel: Puffer für demografische Spitzen.

4. Vergleich der Szenarien

IndikatorStatus quoReformszenario
Beitragssatz 20405,5%4,2%
Kumulierte Schulden 204050 Mrd. €0 € (schuldenfrei ab 2035)
PflegequalitätAbstieg durch PersonalmangelStabilisiert durch Tarifbindung
Politische UmsetzbarkeitUnrealistisch (Beitragsanstieg)Sozial ausgewogen

5. Fazit

  • Ohne Reform droht ein systemischer Kollaps mit Beitragssätzen >5% und massiver Verschuldung.
  • Mit Reform bleibt die PV finanziell stabil bei moderaten Beitragserhöhungen und höherer Effizienz.
  • Schlüsselmaßnahmen:
    1. Einnahmen: BBG-Reform + Bundeszuschüsse.
    2. Ausgaben: Digitalisierung + Prävention.
    3. Langfristigkeit: Kapitaldeckungsanteil einführen.

Quellen: Bundesrechnungshof (2024), Statistisches Bundesamt, GKV-Spitzenverband.


4. Politische Umsetzung

4.1 Reform der Pflegekommission: Breitere Expertise einbinden

Aktuelles Problem:

  • Die bestehende Kommission besteht nur aus Vertretern von Bund und Ländern.
  • Fehlende Akteure: Pflegeverbände, Krankenkassen, Patientenvertreter und Wissenschaft.

Reformvorschlag:

  1. Erweiterung um folgende Mitglieder (je 5 Vertreter):
    • Pflegepraxis: Deutscher Pflegerat, Verband der Pflegewirtschaft
    • Kostenträger: GKV-Spitzenverband, Privatkassen-Verbände
    • Wissenschaft: Gesundheitsökonomen (z.B. RWI, DIW), Medizinethiker
    • Betroffene: Patientenbeauftragter, Sozialverbände (VdK, AWO)
  2. Arbeitsweise:
    • Transparenzpflicht: Alle Sitzungsprotokolle öffentlich.
    • Vetorecht für Konsensentscheidungen bei zentralen Themen (z.B. Beitragserhöhungen).

Begründung:

  • Vermeidet Einseitigkeit (z.B. Länder blockieren Kostenübernahmen).
  • Erhöht Akzeptanz bei Pflegekräften und Versicherten.

4.2 Stufenplan mit Meilensteinen

Phase 1 (2026–2027): Sofortmaßnahmen

Maßnahmen:

  1. Beitragsanpassungen:
    • Erhöhung auf 3,8% (1,9% Arbeitgeber/Arbeitnehmer).
    • Zusatzbeitrag Kinderlose: 0,6% → 0,8%.
  2. Digitalisierungsoffensive:
    • 500 Mio. € Bundesförderung für:
      • Telepflege-Apps (z.B. Videovisiten).
      • Elektronische Pflegeakten (Vernetzung von Arzt/Pflegedienst/Angehörigen).
    • Pflicht für Heime: Ab 2026 Sturzsensoren in allen Einrichtungen.
  3. Personaloffensive:
    • Ausbildungsprämie von 5.000 € für Pflegeschüler.
    • Fast-Track-Verfahren für ausländische Pflegekräfte (<3 Monate Bearbeitung).

Politische Hürden:

  • Arbeitgeberverbände könnten Beitragserhöhung blockieren → Kompromiss: Steuerentlastung für KMU als Ausgleich.

Phase 2 (2028–2029): Systemische Reformen

Maßnahmen:

  1. Beitragspflicht für alle Einkunftsarten:
    • Kapitalerträge: PV-Beitrag ab 20.000 €/Jahr (wie Rentenversicherung).
    • Mieteinnahmen: 2% Beitrag ab 2.000 €/Monat.
  2. Bundeszuschuss:
    • 5 Mrd. €/Jahr als Dauerleistung (finanziert durch CO2-Steuer-Erträge).
  3. Leistungsreform:
    • Demenz-Zuschlag (+20% bei Pflegegrad 2+).
    • Vereinfachte MDK-Begutachtung via Algorithmus (KI-gestützt).

Umsetzung Schritte:

  • 2028: Testphase für Einkunftserweiterung (freiwillige Meldung).
  • 2029: Pflichtbeiträge für Kapitaleinkünfte.

Phase 3 (ab 2030): Evaluation & Nachsteuerung

Maßnahmen:

  1. Unabhängige Evaluation durch das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP):
    • Prüfung der Kostenwirksamkeit (z.B. Einsparungen durch Prävention).
    • Empfehlungen für weitere Anpassungen.
  2. Nachjustierungen:
    • Beitragssatz: Ggf. Reduktion auf 4,0% wenn Überschüsse >5 Mrd. €.
    • Kapitaldeckung: Einführung eines Pflegefonds (0,5% der Beiträge).
  3. Langfristige Sicherung:
    • Verfassungsänderung: Pflegeversicherung als „geschütztes System“ (analog zur Rentenversicherung).
    • Demografie-Risikopuffer: Rücklagenbildung ab 2035.

5. Politische Machbarkeit & Konfliktfelder

Prognose der Widerstände

AkteurPositionLösungsansatz
ArbeitgeberGegen BeitragserhöhungenKompensation durch Lohnnebenkostensenkung
LänderBlockade bei KostenübernahmeBundesfinanzierung der Pflegeausbildung
FDPGegen EinkunftserweiterungBefristete Experimentierklausel
LinkeHöhere Belastung ReicherSozialstaffelung der BBG-Reform

Zeitplan & Legislative Schritte

  • 2025: Gesetzesentwurf durch Bundesgesundheitsministerium.
  • 2026: Verabschiedung mit Zustimmung des Bundesrats (notfalls Vermittlungsausschuss).
  • 2027: Start der Digitalisierungsmilliarde (Haushaltstitel 17.3).

6. Fazit: Erfolgsfaktoren der Umsetzung

  1. Breite Allianz: Einbindung von Gewerkschaften (ver.di), Wirtschaft (BDA) und Patienten.
  2. Monitoring: Jährlicher „Pflege-TÜV“ durch den Bundesrechnungshof.
  3. Flexibilität: Beitragssatz anpassbar an Demografie-Entwicklung.

Risikoabschätzung:

  • Scheitern wahrscheinlich, wenn nur Einzelmaßnahmen umgesetzt werden (z.B. nur Beitragserhöhung).
  • Erfolg möglich durch Paketlösung mit Lastenteilung (Bund, Beitragszahler, Privatvermögen).

5. Fazit

Die vorgeschlagene Reform kombiniert sozial gerechte Beitragslastenwirtschaftliche Effizienz und qualitative Verbesserungen. Nur durch ein Paket aus Einnahmensteigerung, Kostenkontrolle und Demografie Festigkeit kann die PV bis 2040 stabilisiert werden.

Quellen: Bundesrechnungshof (2024), GKV-Spitzenverband, Deutsche Stiftung Patientenschutz, Statistisches Bundesamt (Pflegestatistik 2023).

Gesetzentwurf
zur Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung (PflVG-Reformgesetz)

A. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung

Artikel 1

Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI)

§ 1 Beitragsanpassung und Finanzierungsstruktur

(1) Der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung wird wie folgt angepasst:

  • ab 1. Januar 2026: 3,8 % (Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 1,9 %),
  • ab 1. Januar 2028: 4,0 % (je 2,0 %),
  • ab 1. Januar 2030: 4,2 % (je 2,1 %).

(2) Der Zusatzbeitrag für Kinderlose (§ 55 SGB XI) wird ab 1. Januar 2026 auf 1,0 % erhöht. Für Versicherte unter 35 Jahren gilt eine Übergangsregelung von 0,6 %.

(3) Die Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB V analog) wird ab 2026 auf 200.000 € Jahresbruttoeinkommen angehoben.

(4) Erweiterung des Beitragskreises:

  • Kapitalerträge (§ 20 EStG) und Mieteinnahmen (§ 21 EStG) unterliegen ab 2028 einem PV-Beitrag von 2 % (Freigrenze: 20.000 €/Jahr).

§ 2 Bundeszuschuss und Schuldenmanagement

(1) Der Bund gewährt der sozialen Pflegeversicherung ab 2026 einen jährlichen Zuschuss von 5 Mrd. €, finanziert aus Mitteln der CO₂-Steuer (§ 1 Brennstoffemissionshandelsgesetz).

(2) Die Darlehen des Bundes aus den Jahren 2024/25 (2 Mrd. €) sind bis 2035 in gleichen Jahresraten zurückzuzahlen.

Artikel 2

Leistungsausbau und Effizienzsteigerung

§ 3 Digitalisierung und Prävention

(1) Einrichtung eines „Pflege-Innovationsfonds“ mit 500 Mio. €/Jahr zur Förderung von:

  • Telepflege-Anwendungen,
  • einheitlicher elektronischer Pflegeakte,
  • KI-gestützter MDK-Begutachtung.

(2) Pflicht zur tarifgebundenen Entlohnung in allen Pflegeeinrichtungen ab 2027 (§ 8a Pflegeberufegesetz).

§ 4 Demenzzuschlag und Bürokratieabbau

(1) Pflegebedürftige mit Demenz (Oberkategorie 7 der ICD-11) erhalten ab 2026 einen Leistungszuschlag von 20 %.

(2) Das Pflegegradsystem wird durch standardisierte Selbsteinstufungstests ergänzt (§ 15 SGB XI neu).

Artikel 3

Evaluation und Berichtspflicht
(1) Die Bundesregierung evaluiert die Reformwirkungen bis 31.12.2030 und legt dem Bundestag einen Bericht vor.

(2) Der Bundesrechnungshof überprüft jährlich die Kosteneffizienz der Digitalisierungsmaßnahmen.


B. Begründung

Zu Artikel 1 (Finanzierung)

  • Die Anhebung der BBG auf 200.000 € belastet nur die Top 5 % der Einkommen (verfassungskonform nach BVerfG-Urteil 1 BvL 7/16).
  • Die Einbeziehung von Kapitalerträgen folgt dem Grundsatz der „leistungsfähigkeitsorientierten Beitragsgestaltung“ (§ 3 SGB I).

Zu Artikel 2 (Leistungen)

  • Der Demenzzuschlag schließt eine Versorgungslücke (BVerfG, Beschl. v. 21.07.2022 – 1 BvR 1476/20).
  • Die Tarifbindung dient der Daseinsvorsorge (§ 12 GG) und ist europarechtskonform (RL 2018/957).

Zu Artikel 3 (Transparenz)

  • Evaluierungspflicht entspricht dem „Gesetzesfolgenabschätzungserlass“ der BReg vom 12.08.2020.

C. Finanzielle Auswirkungen

  • Mehreinnahmen: 20,7 Mrd. €/Jahr ab 2030.
  • Ausgaben: 5,5 Mrd. €/Jahr (u.a. für Digitalisierung).
  • Nettoentlastung: 15,2 Mrd. €/Jahr.

D. Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 GG

Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates, da es u.a. in die Verwaltungshoheit der Länder (§ 8 SGB XI) eingreift.

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